everyday is like sunday

Sonntag, 26. Juni 2016

wie es anfängt

Butterblumengelb, zart und flauschig. Rosa Flossen tapsen über meine Zehen. Flaum streift meine blassen Beine. Zum vom Fleck weg Pflücken neugierig. Picken an Sandalenschnallen. Winzige Schnäbel. An denen man sie schon als Gans erkennt. Noch passen sie in eine Hand. Und Hosentasche. Tschilpen und purzeln durcheinander, übereinander. Drunter und drüber. Nur eins kommt nicht mit. Eins von zweihundertsechsundzwanzig Gösseln hat gespreizte Beine wie im Spagat. Kippt vornüber. Ins weiche Streu. Happy End mit Klebeband? Tape eigentlich. Vorsichtig gewickelt – ein blauer Steg in der Mitte – die Muskeln müssen sich aufbauen. Sonst wird es in ein paar Tagen überrannt. Sonst... Immer macht eins den Anfang, die anderen hinterher. Wie später dann. Draußen auf der Weide. In sechs Wochen. Mit Aufsicht. Weil Gefahr von oben droht. Jetzt aber noch Wärme und vier Wände. Viel Schlaf. Pinkeln auf Füße. Sich in Pfützen ausbreitende Zauberhaftigkeit.

Sonntag, 19. Juni 2016

dreihundertdrei

Freitag, 17. Juni 2016

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Mittwoch, 15. Juni 2016

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Sonntag, 12. Juni 2016

dreihundertzwei

Sonntag, 5. Juni 2016

dreihunderteins

Donnerstag, 2. Juni 2016

Die U Post ist geöffnet

„Wo ist das, was wirklich geschieht, das, was wir erleben, das Übrige, alles Übrige? (...) Wie soll man es befragen, wie es beschreiben?“, fragt der französische Autor Georges Perec im Vorwort seines Buchs „Warum gibt es keine Zigaretten beim Gemüsehändler“. Was diesen Autor, der zur Literatur-Bewegung „Oulipo“ gehörte, besonders auszeichnete, war sein Blick für das Alltägliche, das scheinbar Beiläufige. Uwe Petruchs Mail Art (Post Kunst) ist auch so ein Beispiel für die Beschäftigung mit dem Alltäglichen. Und die formale Gestaltung wird dabei – wie bei den Mitgliedern von Oulipo, die ihren Texten Formzwänge auferlegten (beispielsweise den Verzicht auf einen Vokal) – zum  Ausgangspunkt der Kunst.

Der Postweg ist der Kanal, die künstlerische Botschaft aus der Mühlstraße 10 1/2 in alle Himmelsrichtungen zu schicken. „Das ist das Besondere“, sagt Petruch, der im Brotberuf Kinderarzt mit eigener Praxis in Metzingen ist „wenn du von hier aus ein Taxi nimmst, wird es dich nicht nach Irland fahren – wirfst du einen Brief in den Kasten, kommt er überall auf der Welt an.“ Schon als Jugendlicher bastelte er Umschläge und klebte ausgeschnittene Zeitungsbilder zu Collagen. Dass es ihm dabei vor allem um die Gestaltung der Umschläge und weniger um den Inhalt ging; nein, dass die Gestaltung der Kuverts die e i g e n t l i c h e Botschaft war, kapierten schon damals nicht alle. Am wenigsten die Eltern.

„Vorsicht Kunst“ steht da in gestempelten Buchstaben auf dem Kuvert, das man aus dem Briefkasten zieht, und die Marken kleben auch nicht wie gewöhnlich über der Adresse, sondern kreuz und quer. Öffnet man es, erlebt man jedes Mal eine Überraschung. Collagen aus 1 Cent Marken, gestempelte Briefbögen, Lesezeichen aus dem Buchladen Quichotte, dessen Q aus Petruchs Stempelfeder stammt – und – worüber man sich ganz besonders freuen kann: wenn ein Bild auf die Innenseite des Umschlags geklebt ist, das man erst sieht, wenn man den Brief herausgenommen hat. Das durchsichtige Adressfenster wird dann zum Rahmen. 

Um Postbeamte, „die oft unfreundlich sind“  macht der Künstler einen Bogen. Er wirft die Kuverts lieber direkt in die gelben Briefkästen. Schon bei Joseph Beuys berühmter Filzpostkarte klappte die Verschickung aufgrund des unkonventionellen Materials nicht reibungslos. „Lieber Klaus, diese Karte ist keine richtige Versandart, sagt Post, Dein Joseph“ schrieb Beuys an Klaus Staeck, den Präsidenten der Akademie der Künste in Berlin, für dessen Edition Beuys auch Postkarten aus dauerhaft klebrigem Kunststoff „Honigpostkarte“ und aus Eisenblech „Magnetischer Abfall“ gestaltete.

Der kleine U Post-Aufkleber, der Petruchs Markenzeichen ist,  lässt einen vielleicht ganz unterschwellig an den großen Unterschied denken, der bis heute vor allem in der Literatur und Musik gemacht wird: E und U. Um diesen Unterschied scherte sich die Mail Art, die eine Nähe zum Fluxus hat, eigentlich noch nie, das bestätigt ein Blick in den Katalog der Berliner Akademie der Künste, wo 2013 eine große Mail Art-Ausstellung stattfand. „.Mail-Art ist keine museale Form per Post, sondern eine ästhetische Kommunikationsform“. Dass die U Post aus den Buchstaben internationaler Luftpost-Aufkleber stammt, erfreut im Hinblick auf die Offenheit, die das Genre Mail Art auszeichnet, besonders. U wie Uwe, U wie luftig. U wie unabhängig. U wie Kunst. U wie Zufall. U wie Urlaub.

Schon Georges Perec befand, dass die Postkarten, die man aus dem Urlaub an die lieben Daheimgebliebenen schickt, in ihrer kurzen Prosaform und ihrem sich stets wiederholenden Inhalt auch ein Stück Kunst sind – die der Alltag geschrieben hat. Und so begann er, an seinen Schriftstellerfreund Italo Calvino „Zweihundertdreiundvierzig Postkarten in Echtfarbendruck“ zu schreiben. Hier nur drei von zweihundertdreiundvierzig:

„Wir sind hier in Knightsbridge. Das Wetter ist schön. Baden und Golfspiel. Wir kommen am 3. Zurück.“ „Wir sind im Hotel Obelisk. Farniente. Einfach köstlich. Wir haben mit mehreren bezaubernden Personen Bekanntschaft geschlossen. Ihnen viele freundliche Grüße“
„Wir durchstreifen die Balearen. Das ist schön und dazu schlagen wir uns noch den Bauch voll. Ich habe mir einen Sonnenbrand geholt. Rückkehr vorgesehen für Montag in acht Tagen.“

Petruchs U steht auch für ein Ritual: Acht Briefmarkenautomaten in Tübingen, Reutlingen und Metzingen stehen unter ständiger ärztlicher Beobachtung. Die 1 Cent Marken, die sich darin befinden, sind für Uwe Petruch das, was für andere eine Schachtel Zigaretten der Lieblingsmarke sind. Ausverkaufte Zigaretten! Er zieht also regelmäßig mindestens hundert davon. (Seine ausgeklügelte Einwickel-Technik ist in einem kleinen Film zur Ausstellung zu sehen). Aber eigentlich wartet er immer nur darauf, dass eine der beiden Rollen, auf denen die Marken gedruckt werden (2000 passen auf eine Rolle) dem Ende zuläuft. Zu erkennen ist das an der Nummer, die auf der Rückseite der Marke steht. „Wenn die Rolle zu Ende ist, passiert etwas Wunderbares: Der Druck ist schief auf der Marke oder die Marke ist falsch abgeschnitten. Diese besonderen Marken sind natürlich prädestiniert, Mail-Art zu werden. Und die ist seit 2.6. jeden Tag im Willi in der Wilhelmstraße zu sehen. 


U Post from Uwe Petruch on Vimeo.